Bula, Vinaka, Maca… und ein wenig Schwindel
- Mirko Mona
- 7. Okt.
- 6 Min. Lesezeit

Kandavu, Fidschi - 12. August bis 3. September 2025
Nach ein paar Tagen in der “Zivilisation” hatten Mirko und ich immer ziemlich schnell die Nase voll. Vor allem in den größeren Dörfern Fidschis, beispielsweise Denarau oder Städte wie Nadi, in denen es zusätzlich noch von Touristen wimmelt. In den Supermärkten stöbern, ein Restaurant besuchen und Eis essen – besonders Eis essen! – ist zwar schön, aber als Segler sehnt man sich schon bald zurück nach der Ruhe einer glasklaren Bucht, dem leisen Klang der Wellen, die sich sanft um den Bug schlängeln, dem Knirschen des Sandes unter den Füßen und vor allem nach der Gelassenheit der Insulaner, denen die berühmte “Fidschi Time” im Blut liegt.
Um dieser städtischen Betriebsamkeit zu entkommen – nebenbei bemerkt würde wohl kein Europäer eine fidschianische Stadt jemals “hektisch” nennen – nutzten wir das nächste gute Wetterfenster und segelten nach Kadavu, eine Inselgruppe im Süden von Viti Levu. Zu unserer Freude schlossen sich Doris und Wolfi an, besser bekannt als die Seenomaden (www.seenomaden.at). Für sie war Kadavu selbst jetzt, während ihrer dritten Weltumsegelung, noch Neuland. Mit einem Buddy Boat macht das Ganze ohnehin doppelt so viel Spaß! Außerdem verdoppeln sich die Chancen, endlich einen leckeren Thunfisch oder – noch besser – einen von uns allen seit Langem ersehnten Mahi Mahi zu fangen.
Nach einer 19-stündigen Fahrt unter Segel erreichten wir am frühen Morgen das Great Astrolabe Reef. Es umschließt Kadavu, das etwa 478 km² groß ist, fast vollständig. Das Riff selbst erstreckt sich über rund 1.000 km² und wird nur von wenigen Passagen durchbrochen. Durch eine dieser Durchfahrten steuerten wir den Westen von Ono Island an. Zum Vergleich: Das Great Barrier Reef in Australien ist mit seinen 344.400 km² fast unvorstellbar größer – ein Unterschied wie Tag und Nacht. Das heißt aber noch lange nicht, dass es hier weniger Korallen- oder Fischvielfalt gäbe.
Wir ließen den Anker in verschiedenen Buchten der idyllischen Inselgruppe fallen. Für ein paar Nächte blieben wir in der Bucht von Nabouwalu im Westen von Ono Island, trafen die ersten gastfreundlichen Einwohner Kadavus und erkundeten nicht nur die Unterwasserwelt, sondern auch den ländlichen Teil von Ono bei einer Wanderung quer über die Insel. Zwar bekamen wir nicht ganz den Teil der Insel zu Gesicht, den wir eigentlich im Sinn hatten – irgendwann hatten wir wohl die falsche Abzweigung genommen und waren einem Trampelpfad im Dschungel gefolgt –, aber trotzdem genossen wir, Marco und Ella, zusammen mit Dorika und Lupo, die Abwechslung zum touristischen Port Denarau, wo die Hitze gnadenlos von Betonflächen zurückstrahlt.
Dorika? Lupo? Marco? Ella? Woher kommen denn jetzt diese Namen? Naja… auf Fidschi sind da manchmal diese verzwickten Momente. Folgende Situation: Eine überfreundliche Einheimische begrüßt uns am Steg, nachdem wir mit dem Dinghy ihr Dorf erreicht hatten. Mit warmem Lächeln schüttelt sie uns nacheinander die Hand und fragt nach unseren Namen. Als Mirko seinen nennt, ziehen sich zwei nachdenkliche Falten zwischen ihre Augenbrauen. Er wiederholt es, doch das große unsichtbare Fragezeichen bleibt in ihrem Gesicht. Dann ein strahlendes Lächeln: “Aaaah. Marco! Bula! Nice to meet you!” So lief es in jedem Dorf – keiner konnte unsere Namen aussprechen. Doris stellte irgendwann die berechtigte Frage: Warum machen wir das überhaupt jedes Mal mit, wenn wir es doch einfacher haben könnten? So wurden unsere “Inselnamen” geboren. Besonders Dorika sorgt für noch breiteres Lächeln bei den Einheimischen – klingt ihr Name doch plötzlich richtig fidschianisch.
Sieben Meilen weiter südlich von Nabouwalu trieb uns das schlechter werdende Wetter in eine weitere schöne Bucht, an deren Ende das Dorf Naigoro zwischen den wild wuchenderen Mangroven liegt. Nach der obligatorischen Dinghyfahrt zum betonierten Steg, um dem Chief beim Sevusevu das traditionelle Gastgeschenk zu überreichen, könnte man fast meinen, die Dorfbewohner würden sich nicht nur hinter den Mangroven verstecken, sondern sich mit dem matschigen Boden auch ein wenig gegen Fremde schützen wollen.
Inseldörfer sind sich alle ähnlich und doch wieder so verschieden. In manchen wird der mitgebrachte Kava ehrwürdig entgegengenommen. In Naigoro jedoch wurde unser Kava nach der wenig feierlichen Übergabe an den Chief kurzerhand im Gemeindesaal zwischen den Männern umhergeworfen. Irritiert fragte Doris schließlich nach, ob es an der Qualität liegen könnte – schließlich ist Kadavu für den besten Kava des Landes bekannt, während unserer von der Nachbarinsel Vanua Levu kam. Doch die Dorfbewohner winkten ab, bedankten sich herzlich für den großen Büschel getrockneter Wurzeln und erklärten nichts weiter. Wir vermuten, dass das “Herumwerfen” eine Art Qualitätscheck war – schlechter Kava, mit Sägespänen gestreckt (ja, das gibt’s), würde dabei nämlich einfach zerfallen.
Mirko und ich waren schon im letzten Jahr in Kadavu gewesen und wollten daher unbedingt eine bestimmte Familie wieder besuchen: Saiassi und seine Frau auf Dravuni. Dravuni ist eines der bekanntesten Dörfer der Inselgruppe, weil hier alle paar Monate ein Kreuzfahrtschiff mit tausenden Touristen anlegt. An diesen Tagen wird “traditionelles Dorfleben” inszeniert: Massagen an jeder Ecke, Hot Dogs, Kuchen, kalte Kokosnüsse, Bier, Fidschiwasser und handgemachte Accessoires (natürlich meist “Made in China”) werden an bunten Ständen verkauft. An einem ganz normalen Montagnachmittag sah es jedoch völlig anders aus. Als wir durchs Dorf spazierten, wurden wir von Saiassi sofort erkannt – trotz der Massen an Touristen, die während des letzten Jahres wohl über die Insel gezogen waren. Mit einem herzlichen “Oooh! Same Girlfriend as last year!” lud er uns auf seine kleine Holzterrasse ein, wo ich endlich wieder einen seiner uns wohlbekannten Lime-Leaf-Teas genießen durfte.
Während der drei Wochen in Kadavu hatten wir nicht nur alte Freundschaften aufgefrischt, sondern auch neue geknüpft. Die Fidschianer machen es einem dabei wirklich leicht. Zwischen Schnorchelausflügen, Strandgängen, gemeinsamen Abendessen oder Sundownern auf der Nomad, der Yum Yum oder am Lagerfeuer am Strand blieb genug Zeit, in die Dörfer zu gehen und mit den Einheimischen zu plaudern. Besonders im Süden, in Niudua, fühlten wir uns sofort willkommen – nachdem wir es überhaupt erst gefunden hatten. Der Weg dorthin führte durch dichte Mangroven. Vom Ankerplatz aus wäre die Flussmündung, die den Zugang bildete, ohne Satellitenbilder oder Tipps unmöglich zu erkennen gewesen. Fünfzehn Minuten tuckerten wir den Fluss hinauf, die Mangroven ragten links und rechts hoch auf, das Grün leuchtete in der Sonne. Dann bogen wir ab, und durch das Dickicht blinkten die ersten Hütten von Jioma, dem Hauptdorf. Ein Fußmarsch weiter lag schließlich Niudua, wo uns am Dorfrand ein junger Mann mit breitem Grinsen entgegenlief: Bill.
Mit Bill, zwei weiteren Erwachsenen – Mantis und Tumanu – sowie den jungen Fidschianern Aron und Benny verbrachten wir den ganzen Tag. Wir hatten von einer Wanderung gehört, die anstrengend, aber wunderschön sein sollte und zu einem Wasserfall führte. Unsere neuen Freunde zögerten keine Sekunde und boten sich an, uns zu begleiten. Zwei Stunden ging es über matschige Dschungelpfade, rutschige Steine entlang und durch ein Flussbett, bis wir schließlich den gut versteckten Wasserfall erreichten. Wir kühlten uns im eiskalten Swimming Hole ab, teilten unsere Jause und kehrten danach verdreckt und verschwitzt ins Dorf zurück. Dort setzten wir uns in den Gemeindesaal, um unsere Füße zu entlasten – und natürlich, um gemeinsam Kava zu trinken. Die Wurzel wurde dafür in einem riesigen Baumstamm, der als Mörser diente, als erstes von Hand zerstampft und mit Wasser zu einer braunen Brühe angerührt, die am Ende aussah wie das Flusswasser, durch das wir uns gekämpft hatten… und auch so schmeckte: nach Erde. Gut schmeckt Kava wirklich nicht - aber um den Geschmack geht es dabei auch nicht wirklich, sondern um die Zeremonie, die Gemeinschaft – und vielleicht ein wenig um die betäubende Wirkung, die sich auf Zunge und Kopf legt. Erst dreimal klatschen und die Kokosschale engegennehmen… „Bula“… und trinken… „Vinaka“… „Maca“… und wieder klatschen. Und dann das Ganze von vorn. Und eine zweite Runde… und eine dritte. Bis die Wirkung des Kawas dein Gehirn erreicht und dir ein wenig schwindelig wird und deine Zunge taub.
Ob es nun daran lag oder einfach an der Aufregung des Tages – ich fiel jedenfalls früh und zufrieden ins Bett.
Die drei Wochen auf Kadavu vergingen wie im Flug. Alte Freunde wiederzutreffen und neue Bekanntschaften zu machen, hat unsere Zeit hier besonders wertvoll gemacht. Jede Bucht, jedes Dorf und jeder gemeinsame Abend mit den Einheimischen und/oder den Seenomaden hat uns gezeigt, dass Segeln nicht nur aus Meer und Wind besteht, sondern vor allem aus Begegnungen. Kadavu mag im Vergleich zu großen Riffen winzig wirken, doch in unseren Erinnerungen nimmt es einen riesigen Platz ein.
Und da war noch …
TYRP1
Wenn man in Melanesien durch eines der Dörfer spaziert, wird man als Palagi („Weißer“) oft neugierig von allen Seiten beäugt. Die meisten dieser rehbraunen Augen gehören Kindern mit breitem Grinsen, tief gebräunter Haut und dunkelbraunem Haar. Manchmal jedoch ist da eines zwischen all den hübschen Kindern, das auch unsere Blicke auf sich zieht: ein junger Insulaner oder eine junge Insulanerin mit dunkler Haut und leuchtend blondem Lockenkopf.
Was für viele auf den ersten Blick nach europäischem Einfluss aussieht, hat in Wahrheit seinen Ursprung in einer ganz eigenen genetischen Besonderheit: einer Variante des Gens TYRP1, die nur hier vorkommt. Sie verleiht etwa jedem zehnten Kind die goldene Haarfarbe – völlig unabhängig von den Genen, die bei Europäern für blondes Haar verantwortlich sind.
Eifach schön. Dir mached das guet :-)
Sempre bello condividere a distanza le vostre avventure. Dopo due mesi e mezzo ai monti, rientrati per doveri di nonni a Yverdon, comunque risaliremo settimana prossima. buon vento
So schön endlich wieder von Euch zu lesen und wie immer mega interessant!
Freue mich schon auf euren nächsten Report! Glg us Münchestei und Kärnten
Einfach sagenhaft. Ich bin immer wieder begeistert und die Dinghy fahrt durch die Mangroven, einfach spitze.
Beste Grüsse von Nebenan😆